Jämtland – wildes Mittelschweden
Auf wilden Wegen in Härjedalen
Ausgangspunkt unserer Abenteuerroute ist für motorisierte Reisende der Ort Sveg, das “Hauptstädtchen” der Region Härjedalen in Süd-Jämtland. Hier biegen wir von der E 45 auf die Landstraße 84 Richtung Funäsdalen ab. Bahnreisende können die Haltestelle Röjan als Startpunkt für ihre Wanderung oder Radtour markieren und von dort aus noch ein weiteres Stück mit dem Bus vorankommen. Auf unserem Weg nach Härjedalen haben uns unendliche Wälder und zahllose Seen zu unserem Naturabenteuer begrüßt. Ab jetzt werden die Panoramen allerdings noch abwechslungsreicher, denn wir begeben uns in die Weiten des schwedischen Hochlands.
Unser erstes Zwischenziel ist Hede, wo von aus wir das markante Sonfjäll erblicken. Bei einem Besuch an der Touristeninformation lernen wir die alten Traditionen der “Fornbonden” (Gebirgslandwirte) kennen und uns lassen uns eine der vielen Geschichten über den berüchtigtsten Einwohner Härjedalens erzählen: den Bären. In kaum einer anderen Region Schwedens ist Meister Petz heutzutage noch so oft anzutreffen. Meistens hält er jedoch einen für beide Seiten gesunden Abstand zum Menschen.
Während die meisten Touristen von hier aus weiter der Str. 84 folgen, verlassen wir in Hede die befestigte Straße und folgen dem Särvsjövägen Richtung Messlingen. Ab jetzt begegnen uns immer weniger Anzeichen der Zivilisation und die Natur um uns herum scheint immer größer werden. Nach einer der zahlreichen Kurven auf unserem Weg begrüßt uns das Särvfjäll in der Einsamkeit. Und spätestens jetzt stellt es sich ein: das wahre Wildnis-Feeling. Auf einem kurzen Straßenabschnitt in Messlingen erinnert uns ein Stück Asphalt für einige Kilometer noch einmal an die Welt, die wir für diese Reise hinter uns gelassen haben. Doch dann biegen wir auf die kleine Schotterstraße nach Flatruet und Richtung Ljungdalen ab und erklimmen den steilen, von kleinen gewundenen Birken gesäumten Weg hinauf auf Schwedens höchstgelegene Straße.
Moschusochsen und Mountainbikes
Manchmal muss man sich erst völlig verlieren, um sich finden zu können. Und wo könnte uns das besser gelingen, als in der unendlichen Weite eines Gebirgsplateaus inmitten eines der letzten Funklöcher der westlichen Welt? Zur Hauptsaison im Sommer ist man hier oben auf Flatruet allerdings nicht immer ganz so einsam, wie auf anderen Teilen unserer Route. An diesem beliebten Ort siedeln Wohnmobile und Zelte gerne mal für eine Nacht. Gesellen wir uns doch dazu und tauschen wir uns mit den anderen Abenteurern aus: Wer hat sich schon verloren? Wer sich gefunden? Und wer hat Rentiere gesehen – oder einen Moschusochsen?
Nachdem Moschusochsen in Schweden bereits ausgestorben waren, ist vor einigen Jahrzehnten eine kleine Herde von Norwegen nach Härjedalen eingewandert und dreht seitdem hier im Hochland ihre Runden. Da diese Tiere nicht mehr zu den einheimischen Arten Schwedens gezählt werden, stehen sie leider nicht unter Schutz. Eine private Initiative betreibt deshalb im nahegelegenen Tännäs das “Myskoxcentrum” und begrüßt dort täglich kleine Gruppen zu Führungen durch das eigene Gehege, in welchem gezüchtete Tiere und ein paar Ausreißer aus der wilden Herde behütet werden.
Nachdem wir diesem Urzeitwesen ins Auge gesehen haben, bietet sich Mountainbike-Interessierten von hier aus ein Abstecher in die Region Funäsfjällen an. In den Bike-Parks von Tänndalen und Ramundberget kann man sich von einem Lift auf die hochgelegenen Trails befördern lassen und bei einer einmaligen Aussicht in die Pedale treten. Rund um Funäsdalen gibt es zudem ein reiches Angebot an Aktivitäten. Vom Kanu und Stand-Up-Paddle über die Biber-Safari bis zum Klettersteig ließe sich allein hier schon gut und gern ein ganzer Urlaub mit Abenteuern füllen.
Vom einsamen Gletscher zur Kleinstadt am großen See
Unsere Route führt uns weiter ins Dörfchen Ljungdalen, dessen Touristeninformation zwar über eine interessante kleine Ausstellung über Natur und Kultur verfügt – ansonsten aber kaum Besucher anlocken würde, wäre da nicht der Gletscher, der Helags. Mit 1.797 Metern ist er die höchste Erhebung in Schweden südlich des Polarkreises und beherbergt an seiner Südostseite eine Gletscherplatte. Jahr für Jahr lockt dieser beeindruckende Gipfel abenteuerlustige Wanderer an. Doch sind wir gut beraten, den Anstieg nicht ohne angemessene Vorbereitung und Ausrüstung zu wagen. Immerhin wollen wir nicht vom “Fjällräddning” per Helikopter ins Krankenhaus ausgeflogen werden. Ein kleiner Ausflug zur Fjällstation mit Ausblick auf den Berg ist eine gute Alternative für Abenteurer mit moderater Kondition. Anschließend folgen wir der malerischen Straße gen Osten und biegen in Åsarna auf die E 45 Richtung Östersund ab. Nach einigen Tagen fernab der Zivilisation können wir in der Hauptstadt Jämtlands dann für eine Weile wieder aus dem Vollen schöpfen. Neben Geschäften für jeden Bedarf und einer großen Auswahl an Restaurants erwarten uns auch hier ein paar spannende Höhepunkte an der frischen Luft. Im Sommer wird hier am Storsjö (dem “großen See”) das “Yran”-Musikfestival gefeiert und im Freilichtmuseum Jamtli können wir erleben, wie die gute alte Zeit in Schweden ausgesehen hat.
Damit wir in Bewegung bleiben, leihen wir uns für einen Tag ein Kanu und genießen das Panorama von Östersund vom See aus. Aber aufgepasst: Der Legende nach lebt in den Tiefen des Storsjö das sogenannte “Storsjöodjuret”, das Ungeheuer vom großen See. Ihm zu Ehren treffen wir in den Gassen von Östersund sowie an einigen Plätzen rund um den See auf Skulpturen. Vielleicht gelingt uns ein Schnappschuss von diesem mystischen Wesen? Haben wir auf unserer Reise bisher noch keine Elche getroffen, so sollten wir vor der Weiterfahrt einen Besuch im Moosegarden in Orrviken südlich von Östersund einplanen. Dort können wir mit den majestätischen Tieren auf “Fellfühlung” gehen und uns zum Spaß ein abgeworfenes Geweih an den Kopf halten, um uns einmal selbst wie der König des Waldes zu fühlen.
Abschied am Lagerfeuer
Als letztes Ziel unserer Reise suchen wir wieder die Einsamkeit auf. In Vålådalen können wir unser Zelt aufschlagen, eine einfache Unterkunft beim STF mieten oder ein schönes Plätzchen für das Wohnmobil wählen. Auf einer Tageswanderung bewundern wir die “Pyramiden”, eine von der Eiszeit geschaffene skurrile Bergformation. Hier oben in den Bergen können uns auch wieder Rentiere begegnen – doch vielleicht genießen wir ihre Gesellschaft inzwischen mit etwas mehr Gelassenheit, kramen nicht mehr aufgeregt die Kamera hervor und versuchen die Tiere unter allen Umständen aus dem bestmöglichen Winkel zu fotografieren. Vielleicht lassen wir die Kamera sogar ganz stecken und bleiben mal ruhig stehen, atmen langsam ein und aus und spüren einfach nur Dankbarkeit für diesen Moment.
Bei so viel Nähe zur Natur wollen wir unseren letzten Abend mit einer passenden Mahlzeit feiern. Wie wäre es also mit einem Natur-Menü? In den fischreichen Flüssen und Seen könnte uns eine Forelle, Äsche oder ein Saibling an den Haken gehen und ab Mitte August steigt zudem die Chance auf den Fund schmackhafter Pfifferlinge. Nach der Pilzpfanne an Fischfilet genießen wir schlicht eine Portion selbstgepflückte Beeren als Nachtisch. Kleiner Aufwand, großer Genuss! Während wir den Kessel ein letztes Mal über das knisternde Lagerfeuer hängen, schweift unser Blick über den See, in dem sich im Halbdunkeln der nordischen Sommernacht der Wald und die Berge spiegeln. Sowohl dem erfahrenen Outdoor-Abenteurer als auch dem Nordland-Neuling wird sich dann die Frage stellen: Welche Bedeutung wird das Wort “Heimkehr” ab morgen für uns haben…?