Vom Standard-Automodell zum Superstar – perfekte Details dank Fokus-Stacking
In unserem Fall wollen wir ein Standard Modell eines Porsche 911 GT3RS in Miami-Blau aus seiner Vitrine befreien und ein Foto erstellen, welches es „kaum“ von einem Original unterscheidet.
Hierfür eigenen sich die Modelle von Minichamps am besten. Diese sind zwar etwas teurer als Matchbox und die anderen einschlägig bekannten Hersteller, dafür sind sie aber auch detailliert bis zum kleinsten Schriftzug. Im späteren Verlauf werden wir hier noch den Detailreichtum dieser Modelle sehen. Da ist zum Beispiel auf den Sitzen der RS-Schriftzug, oder am Lenkrad die 12 Uhr Neutralstellung, genau zu erkennen. Für unsere Zwecke reichen die Modelle im Maßstab 1:43 völlig aus.
Bevor wir jetzt beginnen, noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Ich gebe hier nur die Methode wieder, wie ich solche Fotos erstelle. Diese hat natürlich keinen Anspruch darauf, die eierlegende Wollmilchsau zu sein. Es gibt sicherlich noch andere Herangehensweisen, welche ebenfalls zu einem guten Ergebnis kommen. Ich bin jedenfalls mit meinen Ergebnissen sehr zufrieden und möchte mein Vorgehensweise deshalb mit euch teilen. Vielleicht hilft es dem ein oder anderen dabei, auch solche Fotos von seinen Modellen zu erstellen. Eventuell findet sogar jemand durch diesen Beitrag erst gefallen an dieser Art der Fotografie?
Das Schöne an dieser Art der Fotografie ist, dass wir sie unabhängig vom Wetter, an jedem Tag der Woche, selbst auf dem Wohnzimmertisch durchführen können.
Wir benötigen lediglich einen schwarzen A3 Fotokarton als Hintergrund und eine hochglänzende schwarze Kunststoffplatte. Hier würde sogar A4 Größe reichen, aber auch hier auf A3 zurückzugreifen ist bestimmt kein Fehler. Meine hat die Maße 100 x 50 cm, da ich sie auch für andere Projekte benötige. Solche Platten gibt es bei den einschlägigen Internethändlern, welche meistens mit A anfangen, aber auch im gut sortierten Baumarkt wird man fündig. Der finanzielle Aufwand ist im Gegensatz zum Ergebnis verschwindend gering. Maximal sollten hier € 20,00 auf uns zukommen. Und wie gesagt, so eine Kunststoffplatte leistet auch bei vielen anderen Projekten sehr gute Dienste.
Die Vorbereitungen
Beginnen wir also mit den Vorbereitungen: Schaffen wir uns auf einem geeigneten Tisch erst mal Platz. Die Kunststoffplatte sollte soweit erhöht liegen, dass unsere Kamera nur sehr leicht nach unten geneigt werden muss. Ansonsten würde das Foto nicht den gewünschten Effekt erzielen. Den schwarzen Fotokarton befestigen wir einfach mit zwei Stecknadeln im Hintergrund an der Wand. Keine Angst. Die winzigen Löcher sieht die Frau später nicht!
Liegt und hängt alles wie es soll, kann die Kunststoffplatte von Staub, Fingerabdrücken und sonstigem Schmutz gereinigt werden. Alles, was wir jetzt beseitigen, müssen wir später nicht am Computer entfernen. Also sollten wir hier sehr gründlich vorgehen.
Es ist so weit: Wir haben die ganzen Vorbereitungen endlich erledigt. Jetzt kann es losgehen.
Wir befreien also unser Fotomodel aus seiner beengten Vitrine und platzieren es formatfüllend vor der Kamera auf der Kunststoffplatte. Hierbei achtet darauf, dass die Spiegelung ebenfalls komplett auf dem Foto zu sehen sein wird. Andernfalls wäre das Ergebnis, sagen wir mal, suboptimal.
Da wir für unser finales Bild eine Reihe von Aufnahmen benötigen, bei denen sich nur der jeweilige Fokuspunkt vom vorherigen Bild unterscheidet, ist es entscheidend, die Kamera auf ein Stativ zu montieren. Eine identische Aufnahmeposition wäre sonst bei mehreren Bildern nicht realisierbar.
Das Licht-Setup
Ab jetzt ist es wichtig, dass wir die Position der Kamera und des Modells auf keinen Fall mehr verändern. Wackler an der Platte oder der Kamera sind tunlichst zu vermeiden. Ansonsten beginnt alles wieder von vorne. Somit ist der Einsatz eines Funk-, oder Kabelauslösers hier zu bevorzugen. Ich habe hier meinen Rollei Funkauslöser mit einem Kabel mit der Kamera gekoppelt, weil ich den Blitzschuh für meinen Blitzfernauslöser benötigt habe. Das ist das Gute an dieser Art Fernauslöser, denn er kann als Funk- sowie als Kabelauslöser benutzt werden. Ein großer Vorteil gegenüber manch anderen Produkten.
Am einfachsten gelingen diese Aufnahmen in einem dunklen Raum mit Hilfe von zwei Speedlights. So ist der Hintergrund „von Haus aus“ schon tief schwarz. Es funktioniert jedoch auch mit zwei LED-Lichtern. Dann hat man jedoch eine viel längere Belichtungszeit pro Aufnahme und der Hintergrund wird grau. Das lässt sich zwar in der späteren Bildbearbeitung wieder ausbessern, jedoch verursacht es zusätzliche Arbeit, die ich gerne vermeide. Ich benutze hier immer zwei LED-Lichter, um die beste Beleuchtungsposition für meine spätere Aufnahme zu finden. Erst dann tausche ich das Dauerlicht gegen zwei 580er-Speedlights aus.
Die Kamera habe ich für dieses Foto wie folgt eingestellt: Modus M, f/11, 1/160. Die Blitze sind beide auf 1/128 eingestellt. Die LED-Lichter bleiben aber am „Set“, da man für jedes neue Fokussieren wieder Licht benötigt. Diese kleinen Teile sind absolut Gold wert, ich verwende auch hier LEDs von Rollei. Und wie gesagt, man kann sie auch für die komplette Aufnahme verwenden, hat dann allerdings später ein paar Minuten mehr Arbeit am Computer.
Für Blende 11 habe ich mich entschieden, weil bei einer Offenblende aufgrund der geringen Schärfentiefe noch mehr Einzelaufnahmen zu machen wären, was meiner Ansicht nach die Verhältnismäßigkeit zum Maßstab des Modells in Absurdum führen würde. f/11 hat sich bei vielen solcher Projekte, die ich schon fotografiert habe, als am besten rausgestellt.
Die Aufnahmen
Nun beginnt die eigentlich zeitaufwendigste Arbeit an dem ganzen Projekt, denn für eine durchgängig scharfe Aufnahme benötigen wir bei dem von mir verwendeten 105 mm Makro-Objektiv mehrere Aufnahmen, die wir später digital zusammenführen (“Stacking”).
Via Fokus-Peaking fokussieren wir zunächst den Anfang der Motorhaube. Hier stellen wir zum Beispiel das Porsche Logo scharf und machen unsere erste Aufnahme. Dann stellen wir in der gleichen Einstellung noch auf den rechten Scheinwerfer scharf und machen die zweite Aufnahme. An den Rädern können wir auch einmal das RS Logo auf den Felgen, sowie auf die dahinter liegenden gelochten Bremsscheiben fokussieren.
Wenn wir an der Windschutzscheibe angekommen sind, müssen wir besonders genau sein. Im Innenraum gibt es viele Details, die wir unbedingt erwischen sollten. Innenspiegel, Lenkrad, Sitze etc. So arbeiten wir uns von vorne nach hinten durch. Das gleiche machen wir dann bei der Spiegelung, wobei dafür deutlich weniger Bilder benötigt werden. Das Prinzip sollte jetzt klar geworden sein.
Ich habe in meinem Fall 15 Bilder für das Modell und 5 Bilder für den Schatten aufgenommen. So kommen wir auf 20 Einzelbilder die wir für das Fokus-Stacking zur Verfügung haben. Mehr geht natürlich immer, weniger Bilder sollten es jedenfalls beim von mir verwendeten Objektiv und Fokussier-Abstand nicht sein. Das Ganze geschieht natürlich mit manuellem Fokus. So hat man eine bessere Kontrolle über das scharf zu stellende Objekt seiner Wahl. Wer es ganz genau machen möchte, verschiebt den Fokusbereich immer um den gleichen, minimalen Grad (Skala am Objktiv beachten!) weiter.
Das Focus-Stacking
Haben wir unsere Aufnahmen fertig, kommt der entspannte Teil der Arbeit: das Fokus-Stacking via Software. Ich arbeite dafür mit Affinity Photo 2. Da mir das Adobe Modell des Abos nicht zusagt, habe ich vor einigen Jahren auf Affinity gewechselt. Bis heute kann ich sagen, es war der richtige Schritt. Klar, anfangs musste man sich ein wenig umgewöhnen. Jedoch unterscheiden sich die einzelnen Schritte nicht so stark von Photoshop, wie man anfangs vielleicht meinen könnte.
Hier also eine kurze Beschreibung der Vorgehensweise für das Stacking in Affinity Photo:
- Öffnen wir also unser Programm und gehen auf „Neue Fokuskombination“.
- Hier werden wir dann aufgefordert, alle Dateien einzufügen, die wir im späteren Bild haben möchten. Dafür verwende ich die RAW-Bilder der Aufnahmeserie.
- Nachdem wir das ganze dann mit „OK“ bestätigt haben, erledigt die Software alles weitere für uns.
Je nach Anzahl der Einzelbilder dauert das Stacken mal kürzer, mal länger. Am Ende kommt jedoch ein sehr geniales Foto dabei heraus. Jetzt können wir unser Foto noch je nach Geschmack anpassen. Heller – dunkler – farbiger – …, eben so wie es gefällt. Was mir wichtig ist, ist dass durch das Fokus-Stacking wirklich jedes Detail auf dem Foto klar zur Geltung kommt, denn genau das war meine Absicht.
Etwaige Flusen, Staub, Fingerabdrücke (auch auf unserem Modell), welche wir vorher nicht gesehen haben, können jetzt ebenfalls noch entfernt werden. Und schon haben wir ein Ergebnis, welches nicht mehr an ein Standardmodell in einer Vitrine erinnert, denn es macht jetzt richtig was her. Auch ausgedruckt auf Aludibond oder Plexiglas macht unser Porsche eine sehr gute Figur!
Wer ein bisschen mehr möchte, kann dem Porsche jetzt noch die Lichter „anmachen“ (Rücklicht dabei nicht vergessen), oder den Wintereinbruch in Deutschland simulieren. Das habe ich in mit einem Teesieb und Puderzucker gemacht. Auch das ist ein Stacking aus mehreren Einzelfotos. Dabei muss man darauf achten, dass es vor, hinter, links und rechts neben dem Modell schneien muss. Das geht nicht besonders gut wenn man es in einem Rutsch machen möchte, denn es sieht dann nicht realistisch aus – doch das wäre eventuell Stoff für einen weiteren Blog-Beitrag. 😉
Verwendetes Equipment:
- Kamera: Canon EOS 6D MK II
- Objektiv: Sigma 105 mm Macro
- Blitze: Speedlight 580
- LED-Hilfslichter: Rollei Lumis Compact RGB
- Auslöser: Rollei Wireless Fernauslöser
- Software: Affinity Photo 2
Einstellungen:
- Kamera Modus: M
- Blende: f/11
- Belichtungszeit: 1/160