Geeignete Hintergründe für die Porträtfotografie finden – von Jens Brüggemann
Vielen Fotografen fehlt die Fantasie bei der Wahl geeigneter Locations für ihre geplanten Fotoaufnahmen. Sie „sehen“ das Potential nicht, das in vielen – auch kleinen – Örtlichkeiten steckt. Dabei ist vor allem auch in der Porträtfotografie oftmals nur wenig Platz vonnöten. Je nach Bildausschnitt reicht eine kleine Fläche wie zum Beispiel DIN A1 oder gar DIN A2 schon als Hintergrund aus.
Doch was ist als Hintergrund für Porträtfotos geeignet? Ich behaupte: Viel mehr, als ihr denkt! Selbst hässlich empfundene Hintergründe können bei schönem Licht (z.B. Gegenlicht) und mit genügend Unschärfe stimmungsvoll aussehen, etwa wenn die Unschärfe die unschönen Elemente geradezu „auflöst“. Allerdings sehen wir Menschen die Welt natürlich viel zu realistisch (und scharf) und es bedarf schon ein wenig Übung, um sich die Welt als eine Ansammlung von mehr oder weniger geeigneten Locations für Fotosessions vorzustellen.
Das Können eines guten Fotografen besteht also zu einem großen Teil auch darin, die Welt nicht so zu betrachten wie andere Menschen – sondern so, wie sie auf Fotos aussehen könnte! Dazu gehört, sich den effektvollen Bildausschnitt vorzustellen; gerade das Weglassen störender Elemente sorgt dafür, dass Fotos als besonders gelungen angesehen werden. Die ganze Bildaussage hängt zuweilen vom verwendeten Bildausschnitt ab.
Auch das Verdichten beispielsweise einer Reihe von Bäumen in einer Allee kann und wird ganz anders auf dem Foto wirken als beim Betrachten derselben in natura. Dann stellt sich noch die Frage, welche Bereiche des Bildes scharf und welche unscharf wiedergegeben werden sollen. Auch das führt dazu, den Blick des Betrachters zu beeinflussen und das Foto nunmehr als subjektiv interpretierte Form der Wirklichkeit zu sehen. Und auch der Kamerastandpunkt hat einen großen Einfluss darauf, was hervorgehoben wird und was in Unbedeutsamkeit verschwindet.
Die Wahl der Verschlusszeit hat ebenfalls einen großen Einfluss auf die Bildaussage und die Bildwirkung. So wird das Einfrieren von Regentropfen, hervorgerufen durch eine kurze Verschlusszeit, einen ganz anderen Effekt haben als der Regenschleier, der sich aufgrund einer langen Verschlusszeit ergibt (die dazu führt dass der Regen als „Vorhang nasser Bindfäden“ wahrgenommen wird). Und auch die Entscheidung des Fotografen, die Fotos in Schwarzweiß zu schießen, sorgt nicht selten für eine Abstraktion, die in manchen Fällen als besonders künstlerisch angesehen wird und auf jeden Fall ebenfalls die Bildaussage beeinflusst.
Bild 1: Kaum jemand würde beim Anblick des Parkplatzes hinter meinem Fotostudio auf die Idee kommen, dass dieser als Hintergrund für die Porträtfotografie besonders geeignet ist (siehe Foto mit Beleuchtungsaufbau). Ist er aber, denn letztendlich benötigte ich nur das Gebüsch im Hintergrund und die Bank im Vordergrund (quasi als Requisit). Die weiteren Zutaten für diese Beautyporträts sind eine offene Blende, die dafür sorgt, dass der Hintergrund schön unscharf wiedergegeben wird, und ein wenig Beleuchtungstechnik (2x Elinchrom ELB400 mit je einem Blitzkopf). Für das Hauptlicht verwendete ich die Portalite Oktabox und für das Haarlicht einen einfachen Standardreflektor.
Bild 2: Business-Porträts fotografiere ich gerne vor entsprechend passenden Hintergründen, wie beispielsweise (Glas-) Fassaden von Bürogebäuden. Auch hier sorgt die Abstraktion des Bildausschnitts dafür, dass das Foto universell verwendbar ist und nicht zwangsläufig mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht wird.
Fotografiert ihr in der Natur so werdet ihr viele geeignete Hintergründe finden (Bild 3)! Bei der Wahl eurer Perspektive und des Bildausschnittes achtet darauf, dass möglichst keine kontrastreichen und damit auf dem Foto störenden Elemente zu sehen sind (bei diesem Foto hätten beispielsweise dunkle Baumstämme im Hintergrund oder eine angrenzende grüne Wiese gestört). Manchmal sind es ganz kleine Positionsveränderungen des Fotografen die eine große Bildwirkung haben, weshalb ihr bei euren Aufnahmen immer flexibel und ständig auf der Suche nach einem besseren Bildausschnitt sein solltet.
Fazit
Gerade für die Porträtfotografie lassen sich leicht viele geeignete Hintergründe finden. Manchmal reicht eine Mauer (Bild 4), ein andermal einfach eine Tapete oder sogar nur eine Rolle buntes Geschenkpapier. Einen geeigneten Hintergrund zu finden ist umso einfacher, desto kleiner der Bildausschnitt ist und/oder wenn mit offener Blende fotografiert wird. Beides ist bei Porträts regelmäßig der Fall. Bei Fashionfotos hingegen muss naturgemäß der geeignete Hintergrund etwas größer sein. In der Natur ist dies kein Problem geeignete Hintergründe zu finden, die groß genug sind. Weite Flächen begünstigen euer Vorhaben euer Model vor dem (unscharfen) Hintergrund abheben zu lassen. Fotografiert ihr hingegen in Innenräumen so achtet darauf, dass die Räumlichkeiten möglichst kontrastarm eingerichtet und nicht zu voll gestellt sind (Bild 5). Dunkle Bilder an den Wänden, farbige Heizkörper oder ein dunkler Teppich hätten die Wirkung dieses monochrom gehaltenen Fotos zerstört.
Technik
Bild 1: Nikon D810 mit Nikkor 1,4/105mm. 1/1250 Sek., Blende 1,4, ISO 64.
Bild 2: Nikon D2X mit Nikkor 2,8/300mm. 1/1000 Sek., Blende 3,2, ISO 200.
Bild 3: Nikon D810 mit Nikkor 1,4/50mm. 1/1600 Sek., Blende 1,4, ISO 64.
Bild 4: Nikon D810 mit Nikkor 2,8/105mm. 1/250 Sek., Blende 2,8, ISO 320.
Bild 5: Nikon D5 mit Nikkor 1,4/50mm. 1/250 Sek., Blende 2,0, ISO 200.