Nordlichter fotografieren – von den “5Reicherts”
Auf der Jagd nach dem Nordlicht
Nordskandinavien wird als Reiseziel für Naturliebhaber immer beliebter. Und das liegt nicht nur an der Mitternachtssonne. Auch die dunkle Jahreszeit, und das ist hinter dem Polarkreis absolut wörtlich zu nehmen, zieht immer mehr Touristen an.
Das kann wohl kaum an der Mitternachtssonne liegen, obwohl die Sonne Mitverursacher für diesen Trend ist. In den vergangenen Jahren hat sich unsere Sonne als zuverlässige Partikelschleuder erwiesen. Immer wieder katapultieren Sonneneruptionen gewaltige Partikelströme ins All hinaus, die auch ab und zu auf die Erde zusteuern. Dann kommt es in den Polarregionen zu einem der faszinierensten Naturphänomene, dem Nordlicht.
Als Fotografen haben wir das sommerliche Norwegen wegen des besonders klaren Lichtes über Jahre hinweg schätzen und lieben gelernt. Nördlich des Polarkreises verzaubern die ewigen ineinanderfließenden Sonnenauf- und untergänge die dramatische Kulisse der norwegischen Küstenberge. An Schlaf ist in dieser Jahreszeit nicht zu denken (außer es regnet in Strömen).
Unsere norwegischen Freunde erzählten uns begeistert von der Grandiosität des nordischen Winters und der unerbittlichen Erhabenheit der Natur, so wurden wir neugierig.
Meine erste Winterreise zur Inselwelt der Lofoten und Vesterålen liegt inzwischen über zehn Jahre zurück. Damals im März besuchte ich das Fischerörtchen Stø auf den Vesterålen, um das Leben im arktischen Winter kennenzulernen. Komplett mit allen Aktivitäten rund um die Langleinenfischerei, die Ankunft der Vögel, und mit etwas Glück auch das Nordlicht. Bereits die Fahrt mit dem Mietwagen über tief verschneite Straßen mit Umweg über die Lofoten, blies alle Sorgen des Alltags weg. Ich war vollkommen sprachlos vor Begeisterung. Die Schneedecke versetzte das ohnehin schon wunderschöne Land der Berge, Seen und Fjorde in einen klaren, urtümlich unberührten Zustand, in dem die Spuren der Menschen wie weggewischt schienen.
Die Fischer erzählten uns, daß es in diesem Winter kaum Nordlichter gegeben hatte. Vielleicht waren sie zu beschäftigt mit der Fischerei, dass sie den Himmel gar nicht im Blickfeld hatten? Schon am ersten Abend auf den Versterålen bemerkte ich einen grünlichen Schimmer am Himmel. Hurtig begann ich, mir warmen Sachen überzuziehen, dann stapfte ich im halbmondbeschienenen, leuchtenden Schnee vom beleuchteten Hafen aus in Richtung offenes Meer. Einige große Wolken hingen schwer über dem Horizont, darüber sah man die Sterne in der kristallklaren, kalten Polarluft funkeln.
Ein paar Probeaufnahmen zeigten mir auf dem Display der Kamera, dass tatsächlich Nordlicht am Firmament stand. Zwar noch äußerst schwach, aber das kann sich ja schnell ändern.
Ich fand einen guten Standort ohne Verschmutzung durch künstliche Lichtquellen und war bereit, als es schließlich hinter den Wolken stärker grünlich zu leuchten begann, die Meeresoberfläche das Himmelsgrün reflektierte und die dunklen Wolken samt schneebedeckten Felsen als Kontrast dazwischen lagen.
Schließlich überrannten grüne Lichtwellen das ganze Himmelsgewölbe, meine Gefühle schwankten so heftig von Begeisterung bis Ehrfurcht, dass ich fast das Fotografieren vergessen hätte. Das Unheimliche daran war, dass diese Lichterscheinung in völliger Stille abläuft. Dramatische Orgeltöne und Posaunengetöse könnte man sich perfekt als Begleitmusik vorstellen. Wir hörten in unserer allerersten Nordlichtnacht ein leichtes statisches Knistern in der Luft, und erfuhren erst später, wie extrem selten dieses Geräusche sind.
Ich weiß, es ist unmöglich dieses Erlebnis in der ganzen Pracht zeigen zu wollen, nichts geht über das aktuelle Erleben. Dennoch fotografierte ich, was das Zeug hielt, um das festzuhalten, was da in allen möglichen und unglaubwürdigen Formen und Farben über den Himmel rannte.
Nach diesem ersten Nordlicht-Erlebnis konnte ich meine Familie durch die mitgebrachten Bilder und meine wortstarke Begeisterung anstecken, und wir verbrachten in den Jahren darauf gemeinsam viele Wochen in den arktischen Regionen Schwedens und Norwegens auf der Jagd nach dem Nordlicht.
Wie entsteht eigentlich Nordlicht?
Plausible Theorien zur Erklärung des Phänomens Nordlicht gab es schon im 19. Jahrhundert. Aber erst mit Beginn des Satellitenzeitalters konnten diese mit Messwerten untermauert werden. Noch immer sind viele Fragen offen, hier soll ein kurzer Erklärungsversuch reichen:
Wie eingangs erwähnt, werden bei starker Sonnenaktivität Plasmawolken mit hoher Geschwindigkeit Richtung Erde geschleudert. Am magnetischen Pol werden diese geladenen Teilchen kreisförmig erdnah abgelenkt und reagieren in Höhen von 70-400 km über der Erde mit Sauerstoff, in dem sie diesen mit ihrer Energie anregen, grüne Lichtwellen wieder abzugeben. Gelangen die Elektronen bei extrem hoher Sonnenaktivität in noch tiefere Atmosphärenschichten, regen sie auch Stickstoffatome an, dann leuchtet das Nordlicht rot. Laut Wissenschaft steht eine Phase mit sehr starker Sonnenaktivität kurz bevor.
Wie fotografiert man Nordlicht am besten?
Auf unseren Winterreisen benutzen wir unsere normalen, digitale Spiegelreflexkameras (Canon 5D, 6D, 7D) mit Standard- und Weitwinkelzoom-Objektiven. So hat man die Möglichkeit, je nach Heftigkeit der Bewegung oder Helligkeit des Nordlichts, die Belichtungszeit zu verlängern oder zu verkürzen. Fotografiert man im RAW-Format, was ich unbedingt empfehle, kann man den Weißabgleich besser steuern, als es mit JPG-Bildern möglich wäre. Zudem hat man durch das Display im Zusammenspiel mit dem Histogramm eine direkte Kontrolle des aufgenommenen Bildes und kann die Belichtung entsprechend nachkorrigieren.
Das wichtigste Hilfsmittel ist neben der Kamera ein stabiles Stativ. Im Zusammenhang mit einem Kabel- oder Funkauslöser erzielt man die besten Ergebnisse bezüglich der Schärfe. Man muss darauf achten, im Schnee einen guten Stand für das Stativ zu finden, sonst sinkt es während der Belichtung langsam ein. Wir hatten verschiedene Objektive im Einsatz – ein 4.0/24-105 mm, ein 4.0/17-40 mm für Vollformat, und ein 2.8/17-50 mm und ein 2.8/11-16 mm für das APS-Format. Wenn wir mehr Vordergrund in die Aufnahme mit reinbringen wollten, griffen wir zum weitwinkligeren Objektiv. Natürlich ist bei der Wahl der Brennweite entscheidend, wie weit sich das Nordlicht über das Himmelszelt erstreckt.
Ein lichtstarkes Objektiv ist von Vorteil, denn eine weitgeöffnete Blende bildet mehr Sterne ab und lässt eine geringere ISO-Zahl zu, was geringeres Rauschen zur Folge hat. Der Autofokus funktioniert in der Dunkelheit nicht, daher kontrolliert man am besten mit einer kleinen Taschenlampe den manuellen Fokus. Man sollte dabei streng darauf achten, nicht über die Unendlich-Markierung hinaus zu fokussieren, sonst wird die Aufnahme durch Überfokussierung vollständig unscharf.
War das Nordlicht sehr aktiv, belichteten wir durch Anpassung der ISO von 400-4000 im Bereich von 4 bis 20 Sekunden, bei offener Blende (2,8 oder 4, je nach Objektiv). Bei Belichtungszeiten von bis zu 30 Sekunden muss man noch nicht in den B-Modus gehen, sondern kann mit Hilfe der Zeitautomatik belichten.
Die Kontrolle des Histogramms hilft im Bezug auf die Korrekturen der Belichtung in der jeweiligen Situation. War das Nordlicht einmal schwach und war wenig Bewegung drin, wie es bei der Bogenform oft vorkommt, belichteten wir ausnahmsweise bis zu 2 Minuten lang. Bei Belichtungszeiten von länger als 30 Sekunden kann es aber passieren, dass das Nordlicht auch bei langsamer Bewegung verwischt und überbelichtet wird. Auch die Sterne werden durch die Erddrehung nicht mehr als Punkte, sondern zunehmend als Striche abgebildet, was mehr irritiert als ästhetisch befriedigt.
Die neueste Generation der Systemkameras mit ihren extrem hohen ISO-Einstellungen dürfte dem Fotografen die Möglichkeit bieten, starkes Nordlicht aus der Hand zu fotografieren und zu filmen. Aus Qualitätsgründen ist das zwar nicht die erste Wahl der Aufnahmemethoden, aber auf einer Nordlichttour mit den Hurtigruten wahrscheinlich die beste vom fahrenden Schiff aus.
Bei der Bearbeitung der RAW-Formate kann man leicht die Objektivkorrekturen anwenden und die Objektivfehler herausrechnen. Man hat einen guten Einfluss auf die Farbtemperatur und kann bei vielen RAW-Konvertern auch direkt das Bild entrauschen.
Unserer Erfahrung nach wirken die Nordlichtaufnahmen am besten in einer Überblendshow mit Musik. Aus vielen sequentiellen Aufnahmen, vom gleichen Standort aus gemacht, zeigte die Überblendung die Lebendigkeit des tanzenden Nordlichts, die ein stehendes Bild nicht vermitteln kann.
Natürlich gehört auch etwas Glück dazu, Nordlichter zu erleben. Im Internet gibt es Seiten mit Nordlichtvorhersagen, und natürlich muss das Wetter mitspielen, sonst läuft das Geschehen für uns unsichtbar hinter den Wolken ab.
Wir hatten auf unseren Reisen fast immer Glück und konnten viele Nächte fotografierend, staunend und frierend unter freiem Himmel fotografieren. Tagsüber beschäftigten wir uns mit den faszinierenden Schneelandschaften und mit der Geschäftigkeit der Fischer. Auch im Winter kamen wir so zu dem gleichen Schluss wie im Sommer: An Schlaf ist auch in dieser Jahreszeit nicht zu denken.