Porträtfotografie “on Location” – Gastbeitrag von Firat Bagdu
Fotografiere ich Porträts on Location, also nicht im Studio sondern draußen auf der Straße, in der Natur, bei Hochzeiten oft in Gebäuden wie der Kirche oder dem Ort der Feier oder sonst eben auch immer dort, wo ich gerade unterwegs bin, lasse ich mich sehr gerne von meiner Inspiration leiten. Eine Inspiration kann völlig trivial sein, zum Beispiel ein perfektes Zusammenspiel von Farben. Oft werde ich aber gar nicht durch optische Aspekte inspiriert, sondern durch Gerüche, Geräusche und damit verbundene Stimmungen. Die Kunst der Fotografie besteht darin, solche Stimmungen einzufangen und zu konservieren.
Bevor ich ein Foto mache, analysiere ich zunächst das Licht. Wie ist das vorhandene Licht? Von wo kommt es? Gibt es harte oder weiche Schatten? Kann ich ausschließlich mit dem vorhandenen Tageslicht arbeiten oder benötige ich zusätzliches Licht? Bei meinen Shootings habe ich immer zusätzliche Lichtquellen dabei wie Dauerlicht, LED-Lampen oder Blitzgeräte, was aber nicht gleichzeitig bedeutet, dass diese auch ständig zum Einsatz kommen.
Geht es um das Licht, nimm dir Zeit, schau dich um und wähle den Ort für das Foto entsprechend deiner Vorliebe aus. Ein Tipp in Bezug auf die Größe der Fenster: Je größer das Fenster, desto diffuser und homogener ist das Licht, das sie euch für eure Aufnahmen liefern. Dies gilt insbesondere in den frühen Morgenstunden und / oder abends zur Zeit der blauen Stunde. Licht beobachten und ausprobieren – das sind die Schlüsselelemente.
Fotografierst du an einem besonderen Ort oder in einem Raum, nimm dir die Zeit den Raum zu fühlen und zu beobachten. Ein auf den ersten Blick ganz unauffälliger Ort bzw. Raum kann eine große Inspirationsquelle werden. Es gibt immer viele Dinge um uns herum, sei es eine Farbe, ein Muster, eine Linie oder ein Gegenstand, die entdeckt werden wollen und bei der richtigen Umsetzung in der Fotografie wie ein Wunder wirken. Richtig in Szene gesetzt unterstreichen Sie die Bildaussage, leiten den Blick des Betrachters oder provozieren durch Kontraste.
Die Fähigkeit, diese Dinge in einer Location für den Einsatz in der eigenen Fotografie zu entdecken, braucht Zeit, Übung und Ausdauer. Nicht aufgeben – du wirst relativ schnell feststellen, dass du innerhalb kurzer Zeit und mit etwas Übung beginnst, die fotografischen Stilelemente ganz anders Wahrzunehmen.
Mache das Beobachten zu deiner ständigen Aufgabe. Egal wo du bist und ob du deine Kamera dabei hast oder nicht. Du solltest im Café, in der Natur, unterwegs, im Auto und oder in der Bahn, aber auch auf einem Berg, im Wald, am See oder am Meer immer die Menschen beobachten, Licht- und Schattenverläufe analysieren, Haltungen beobachten, Linien und Muster suchen. Trainiere dein Auge. Trainiere dein Gehirn, damit du in Situationen, in denen wenig Zeit ist, sofort die wesentlichen Elemente erfassen und in deinen Bildern berücksichtigen kannst.
Behalte im Kopf, dass das Auge oder die menschliche Wahrnehmung ganz anders funktioniert als die Technik in der Kamera. Oft stellen wir uns etwas vor und versagen bei der fotografischen Umsetzung, da uns die Erfahrung fehlt. In meinen Workshops geht es darum, diese grundlegende Fähigkeit zu trainieren. Wir üben gemeinsam indem wir uns ein Bild konkret vorstellen und dann überlegen, warum es funktioniert oder woran genau dies bei der Umsetzung scheitert. Die tatsächliche Umsetzung wird anschließend Schritt für Schritt unter meiner Anleitung korrigiert und trainiert, bis wir das perfekte Bild aus unserer Vorstellung erreichen. Teilnehmer, die erwarten, dass ich für sie alles perfekt auf- und einstelle und sie dann nur den Auslöser drücken, sind bei mir falsch. Es wird immer gemeinsam gearbeitet und Ideen werden gemeinsam entwickelt. Schließlich sollen die Teilnehmer meiner Workshops mit Ideen und Anregungen nach Hause gehen, sich weiter entwickeln, ihren eigenen Stil finden und lernen, ein Gefühl für die Fotografie zu entwickeln.
In Zeiten von Social Media werden wir mit Bildern und Videos überflutet. Oft sind diese technisch einwandfrei, zeigen aber mangelhafte Kreativität. Häufig wird hier auch nur über die Technik diskutiert. Dabei wird das Wichtigste leider vernachlässigt: Die Kreativität und die Aussagekraft des Bildes. Während Fotografen sich in die Technik verlieben, passieren um sie herum ganz viele, schöne Dinge, die sie erst gar nicht wahrnehmen. 😉
Für das Fotografieren von Menschen braucht man kommunikative Fähigkeiten. Versteckt sich der Fotograf hinter der Kamera und scheut sich Anweisungen zu geben, dann wird es nichts mit einem schönen, aussagekräftigen Foto. Daher trainiere ich mit meinen Teilnehmern in den Workshops ganz gezielt, indem wir zunächst den Hintergrund und Vordergrund gestalten, Licht und Kamera einstellen und erst wenn dies alles im Griff ist, uns anschließend nur noch um die zu fotografierende Person kümmern und mit ihr kommunizieren. Nur so können wir sicherstellen, dass wir natürliche Porträts realisieren.
Zu Guter Letzt noch ein Tipp: Wenn alle Menschen in eine Richtung schauen oder fotografieren, dreht Euch bitte um und schaut kurz in die umgekehrte Richtung. Dort passiert meistens das Interessanteste. 😉
Anmerkung der Photo+Adventure:
Firat gibt während der Photo+Adventure 2017 zwei Workshops, wovon der Workshop “Portraits on Location” leider bereits ausverkauft ist. Für seinen Workshop “Hochzeitsfotografie” am Sonntag, 12.06., sind noch wenige Plätze verfügbar.