Kreative Fotos mit bewegter Kamera: Gerührt & geschüttelt
Fotografieren ist für so manchen eine sehr ernste Sache. Präzision, sorgfältiges Handwerk, höchste Schärfe und natürlich korrekte Belichtung führen neben der Gestaltung – selbstverständlich im Goldenen Schnitt – zum perfekten Bild, zumindest manchmal. Allerdings fehlt einigen bei dieser strengen Auslegung der Fotografie dann doch der kreative Spaßfaktor. Deshalb schadet es nicht, die Fotoausrüstung gelegentlich als Spielzeug zu betrachten und kreative Fotos zu erschaffen, die Perfektionisten und Schärfefanatiker zu fassungslosem Kopfschütteln veranlassen.
Von Spielereien ist in den Bedienungsanleitungen von Fotogeräten nie die Rede. Ganz nüchtern wird – mehr oder weniger verständlich – das beschrieben, wofür der Hersteller die jeweiligen Geräte vorgesehen hat. Ziel der Verwendung von Objektiven und Kameras ist demzufolge in der Regel ein korrekt belichtetes, scharfes, unverwackeltes Bild. Nun befällt mich allerdings eben immer wieder mal der Spieltrieb. Ich möchte Neues ausprobieren, möchte kreative Fotos machen, die mit klassischen Fotos zuweilen, abgesehen von der Technik der Aufzeichnung, nicht mehr viel gemein haben – Lichtmalereien könnte man das nennen und die einfachste Möglichkeit dies zu tun, besteht darin, die Kamera während der Aufnahme in verschiedener Weise zu bewegen.
Baumwischer
Interessante Bilder ergeben sich immer wieder, wenn man die Kamera während der Aufnahme vertikal schwenkt. Insbesondere im Wald kann das sehr lohnend sein, denn Bäume und allgemein Waldszenen mit zwangsläufig vielen vertikalen Bildelementen bieten sich für vertikale Wischbilder an. Für mich ist das eigentlich immer eine Option und im Grunde suche ich bei jedem Waldspaziergang nach Ausschnitten, die sich für die Anwendung dieser Technik besonders gut eignen.
Ich werde dabei allerdings beileibe nicht immer fündig, denn einige Faktoren müssen meines Erachtens schon erfüllt sein, damit die Bilder nicht beliebig werden. So möchte ich meist möglichst dicht stehende Bäume unterschiedlicher Dicke im Bildausschnitt haben und häufig finde ich es besonders schön, wenn die Stämme zudem verschiedene Farben aufweisen oder sich durch den Lichteinfall unterschiedliche Schattierungen ergeben. Ungünstig ist es, wenn zwischen den Bäumen ein wenig vom Himmel sichtbar ist. Das führt durch die vertikale Wischbewegung zu mehr oder weniger deutlich sichtbaren und störenden, hellen Streifen im Bild. Die ziehen unweigerlich den Blick auf sich und können daher die Bildwirkung komplett zerstören.
Eigentlich gefiel mir das Bild ganz gut. Die unterschiedlichen Stämme ergeben zusammen eine harmonische Farbwirkung. Allerdings hatte ich vor der Aufnahme ein paar kleine Stellen übersehen, an denen zwischen den Bäumen etwas vom Himmel sichtbar war. Durch das Schwenken der Kamera wurden die eigentlich unauffälligen hellen Punkte zu störenden weißen Streifen, hier links oben zu sehen.
Kleinbildsensor | 135 mm | 1/4 sec | ƒ/8 | ISO 250
Beim „Wischen“ hat man mehrere gestalterische Optionen. Man kann die Kamera schnell oder langsam bewegen, kann mit relativ kurzer Belichtungszeit von 1/30 oder 1/60 sec oder mit deutlich längeren Zeiten zwischen 1/4 und 1 sec arbeiten. Wenn ihr mit dieser Art von Fotografie nicht vertraut seid, solltet ihr anfangs einfach möglichst viel mit den Belichtungszeiten und Wischgeschwindigkeiten experimentieren. Die Exif-Daten geben ja glücklicherweise präzise Auskunft über die jeweiligen Einstellungen und aus der nachträglichen Analyse der Bilder baut ihr euch in kurzer Zeit einen Erfahrungsschatz auf, der es erlaubt, recht zielsicher vorab einzuschätzen, welche Belichtungszeit mit welcher Bewegungsgeschwindigkeit sich wie auswirkt. So werden auch solche Bilder zumindest einigermaßen planbar.
Nur für wenige Augenblicke während des Sonnenuntergangs leuchten die Kieferstämme am Weststrand des Darß in unterschiedlichen Rot- und Orangetönen. Durch die vertikale Kamerabewegung während der Aufnahme wird die Struktur der Borke weitgehend aufgelöst und im Bild wird so die Wirkung des Abendlichts auf die Farben und hier auch der Kontrast zum kühlen Grün betont. Das Bild links zeigt dieselbe Situation, wurde aber mit statischer, auf dem Stativ fixierter Kamera aufgenommen.
Schüttelbilder
Nicht nur Wischen oder Zoomen ergibt überraschende Bildeffekte. Wer besonders malerische Bilder im Stil der Impressionisten mag, sollte seine Kamera mal kräftig durchschütteln, während der Auslöser betätigt wird. Es gibt allerdings gute Gründe, warum ich gerne alleine bin, wenn ich meine „Schüttelbilder“ mache. Passanten reagieren in der Regel zumindest irritiert, zuweilen fassungslos, wenn sie einen Fotografen erblicken, der eine Kamera schnell schüttelt, dreht oder in alle Richtungen hin- und herschwenkt und dabei auch noch permanent den Auslöser betätigt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das merkwürdig aussieht und entsprechend sind Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit eines solchen Menschen nachvollziehbar. Also lieber vorher umschauen, ob gerade keiner guckt – und erst dann schütteln, drehen, schwenken.
Ein Kornblumenfeld in Worpswede. Die Kamera mit Telezoom und aktivem Bildstabilisator wird heftig und schnell geschüttelt. Durch die verzweifelten Korrekturversuche des Bildstabilisators entstehen interessante Überlagerungseffekte, die beinahe wie eine Doppelbelichtung erscheinen.
Kleinbildsensor | 114 mm | 1/8 sec | ƒ/14 | ISO 100 | +0,7 LW
Besser als bei den vertikalen Wischern kann man bei Schüttelbildern den Ausschnitt planen. Man visiert diesen an und schüttelt dann unter mehrfachem Auslösen die Kamera ganz schnell mit geringem Ausschlag. Ist der Bildstabilisator eingeschaltet, versucht der natürlich permanent zu korrigieren, was dann wiederum zu Überlagerungen im Bild führen kann und solche Aufnahmen zuweilen noch gemäldeartiger erscheinen lässt.
Kiefern im Darßwald. In solchen Gegenlichtsituationen kann es interessant sein, die Kamera sehr schnell kreisförmig zu bewegen. Die Lichtreflexe werden dann als Kringel abgebildet.
Kleinbildsensor | 135 mm | 1/4 sec | ƒ/20 | ISO 100
Und wozu das Ganze? Tatsächlich führen solche Kamerabewegungen zu oft interessanten, sehr malerisch anmutenden Bildeffekten. Eventuell störende Strukturen können weitgehend aufgelöst werden und Licht und Farben im Bild bestimmen in erster Linie die Wirkung. Insofern ist man mit der Technik ziemlich nah dran, an dem was die impressionistischen Maler Ende des 19. Jahrhunderts beabsichtigten. Das muss natürlich nicht jedem gefallen, aber ist eben wieder eine weitere Möglichkeit, vermeintlich altbekannte Motive anders darzustellen. Zudem kann dieses Spielen mit der Kamera einfach sehr viel Spaß machen – auch wenn am Ende vielleicht gar nicht immer was Vorzeigbares herauskommt und man die Ergebnisse der Spielstunde später restlos von der Festplatte löscht. Allerdings kommen so eben auch immer wieder Bilder zustande, die nicht nur außergewöhnlich, sondern auch schön und oft genug sehr plakativ sind.
Viel Spaß bei der Spielstunde!
Hans-Peter Schaub
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Wer diese und weitere Techniken für die Erstellung von kreativen Fotos gerne unter Anleitung ausprobieren möchte, dem empfehlen wir die Teilnahme am Workshop mit Hans-Peter Schaub bei der Photo+Adventure am Sonntag, 14.6. ab 9 Uhr. Ähnlich kreativ geht es im Workshop am Samstag mit Micha Pawlitzki zu, schaut doch mal rein.